Die Wiege des Landseers auf Neufundland

Die Wurzeln des heutigen Landseers lassen sich bis weit ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen und vermischen sich stark mit denen des Neufundländers, stammen doch beide Rassen von der gleichen Insel.  In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschienen die ersten Rassebücher, die sich mit dem Aussehen und der Abstammung verschiedener Hunderassen und eben auch mit den verschiedenen Schlägen des Newfoundland Dog beschäftigten. Das erste Zuchtbuch des Englischen Kennel Club und damit das erste offizielle Hundezuchtbuch weltweit erschien 1874 und ab diesem Moment lässt sich die Zuchtgeschichte sehr gut nachvollziehen. Allerdings galt der Landseer bis zu seiner offiziellen Anerkennung durch die FCI im Jahre 1960 nur als eine Farbvariante des Neufundländers und wurde somit nie gesondert aufgelistet. 

 

Liest man in den alten Werken über den Neufundländer, so werden hier meist verschiedene Schläge beschrieben: der große schwarze Neufundländer (Newfoundland Dog) und der kleinere Neufundländer (Lesser Newfoundland Dog oder Labrador) mit kürzerem Fell und kompakterem Bau. Und dann gibt es da schließlich noch die schwarz-weiße Variante: den Landseer type of Newfoundland, der schon damals nach jenem berühmten Maler benannt wurde, der uns so viele Bilder dieser wunderschönen Hunde schenkte. Je nach Autor wird dieser Typ nur als Farbvariante geführt oder aber als eigener Schlag erläutert. Der Landseer-Neufundländer wird meist als hochbeiniger als der Neufundländer beschrieben und mit wolligem, teilweise lockigem Fell. 

 

Über die Abstammung des ursprünglichen Newfoundland Dog lässt sich nur spekulieren. Vermutlich vermischten sich hier einheimische Rassen mit den Hunden der europäischen Einwanderer. Selektiert wurde auf Neufundland vermutlich nicht nach Aussehen, sondern vielmehr nach Arbeitsleistung und vor allem Widerstandsfähigkeit. Der Neufundländer diente als Wach- und vor allem Arbeitshund. Richardson beschreibt die Nutzung der Neufundländer in seinem Werk „The Dog: It’s origin, natural history and varietis“ wie folgt: im Winter wurden sie als Lastentiere genutzt und zogen Karren, beladen mit Holz. Dabei wurden sie oft so schlecht ernährt und ausgebeutet, dass viele Exemplare den Winter nicht überlebten. Im Sommer wiederum wurden sie meist sich selbst überlassen, denn die Bevölkerung widmete sich nun dem Fischfang. Der Neufundländer war also ursprünglich eher ein Hund der Arbeiter und weniger des Adels.  

Schon damals legendär war die Liebe des Neufundländers für das Wasser. Es häufen sich Geschichten über Seerettungen in letzter Minute und nicht wenige Exemplare wurden für ihre Rettungsaktionen berühmt. 

 

Die Weiterzucht in England

 

In England erfreute sich der Newfoundland Dog im 18. und 19. Jahrhundert größter Beliebtheit. Zu Beginn waren es vor allem die schwarzweißen Exemplare, wie sie Sir Edwin Landseer auf vielen Gemälden festhielt und deshalb auch zum Namensvetter wurde. Ein berühmter Vertreter seiner Rasse war Boatswain, der Neufundländer des Dichters Lord Byron. Zu Ehren dieses Hundes findet sich bis heute in Byrons Anwesen Newstead Abbey ein Denkmal an dessen Grabstätte mit der Inschrift des Gedichtes „Epitaph to a dog“. Die einleitenden Worte zur  Inschrift von John Hobhouse werden bis heute viel zitiert:

 

„Nahe dieser Stelle

 sind die Gebeine beigesetzt von einem

 der Schönheit besaß, ohne Eitelkeit,

 Stärke ohne Anmaßung,

 Mut ohne Bösartigkeit,

 und alle Tugenden des Menschen, ohne seine Laster.“

 

 

In den folgenden Jahren wurden die schwarzweißen Landseer immer mehr von ihren schwarzen Verwandten verdrängt, die sich beim Adel zunehmender Beleibtheit erfreuten. Der erste offizielle Rassestandard wurde vom 1886 gegründeten englischen Newfoundland Club formuliert. Zu diesem Zeitpunkt führten die schwarzweißen Landseer nur mehr ein Schattendasein. Die Farbe des Newfoundland Dog sollte schwarz sein, wobei weiße Abzeichen an Brust und Füßen, sowie ein bronzener Glanz des Fells, akzeptiert wurden. Der Landseer wird zur Farb-Varietät herabgestuft (im Standard „other than black“) und soll, was den Körperbau angeht, genauso aussehen wie der schwarze Neufundländer. Dem Landseer wurde also die Existenz als eigenständige Rasse aberkannt, obwohl die meisten Autoren in den Rassebüchern auf die Unterschiede beider Typen aufmerksam machten. Ein erster herber Rückschlag in der Landseergeschichte.

 

Es verwundert daher nicht, dass das Augenmerk der englischen Züchter nicht auf der schwarzweißen Färbung lag. Beide Varianten wurden häufig gekreuzt und es finden sich kaum reingezüchtete schwarzweiße Linien. Zum Glück waren durch die Kreuzungen auch viele schwarze Neufundländer rezessive Träger der schwarzweißen Scheckung und diese konnte nie ganz verdrängt werden. 

Die Anfänge der Reinzucht in Europa

Während in England die schwarzen und schwarzweißen Neufundländer wild miteinander vermischt wurden, begann man in Kontinental-Europa schon früh mit der Reinzucht des Landseers.

Der erste reine Landseerwurf fiel 1902 im Zwinger „von Vevey“ in der Schweiz. Die Eltern waren Bob (Züchter: Dickman) und Lady Elisa (Züchter: Harris), beides Importe aus England mit einer größtenteils schwarzweißen Abstammung. 1904 wurde eine Hündin aus diesem Wurf, genannt Great Dolly, von einem wiederum aus England importierten schwarzweißen Rüden gedeckt. Dieser Rüde war der bekannte Kettering Scout (Züchter: Bland), der als „Major von Vevey“ in das schweizerische Zuchtbuch eingetragen wurde. 

 

1905 finden sich bereits zwei Landseerwürfe in der Schweiz: Der erste im Zwinger „von Vevey“ aus der gedeckt aus England importierten Hündin Swiss Floo Flora (Züchter: Musgrave). Der Zweite im Zwinger „von Mollis“ aus der importieren Hündin Stella Maris von Mollis. In den folgenden Jahren bauten diese beiden Züchter die Reinzucht des Landseers in der Schweiz weiter aus, unter Verwendung aus England importierter schwarzweißer Neufundländer. 

 

Zu Beginn des ersten Weltkrieges kam es zu einem herben Rückschlag, als die Landseerzucht in beiden Zwingern kriegsbedingt zum Erliegen kam.

 

Aus dem Zwinger von Mollis gelang schließlich die Hündin „Miss von Mollis“, geworfen aus der importieren Hündin „Royal Princess Maud“ nach dem Rüden „Lord Mayor II“ (aus einer Verpaarung von Stella Maris von Mollis mit Kettering Scout) nach Winterthur in den Zwinger „vom Adlergarten“. Aus der Verpaarung dieser Hündin mit ihrem Onkel „Pascha Major II“ stammt die 1917 geborene Hündin „Nora vom Adlergarten“, die in den schweizerischen Zwinger „vom Hinterberg“ gelangte und hier mit schwarzen Neufundländern gekreuzt wurde. Über ihre schwarze Tochter „Nora vom Hinterberg“ lässt sich die Zucht bis in die USA weiterverfolgen. In Europa ging die Linie über ihren schwarzen Sohn „Mutz vom Hinterberg“ und dessen Nachkommen im Zwinger „von Pawnee“ weiter und lässt sich bis zu den heutigen Landseern nachvollziehen.

 

Die Hündin „Royal Princess Maud“ selbst gelangte schließlich in den Zwinger „von der Förgenau“ in Österreich zur Weiterzucht. Über zwei ihrer Töchter lässt sich diese Linie weiterverfolgen: Aus der Verpaarung von „Norma von der Förgenau“ mit ihrem Onkel „Nero Kappner“ gelangten zwei Hündinnen nach Winterthur in den Zwinger „vom Adlergarten“. Belladonna von der Lärchenau wurde hier 1929 in Ermangelung eines Landseer-Deckrüden mit dem Kuvasz-Rüden Baldur von der Gifthütte gekreuzt. Über Primus vom Adlergarten, einen Sohn aus dieser Verpaarung, lässt sich diese Einkreuzung bis in die Stammbäume der heutigen Landseer weiterverfolgen. Der Bruder Bello von der Lärchenau gelangt ebenso in die Zucht und auch hier lassen sich die Linien bis heute verfolgen.

 

Die Hündin Myra von der Förgenau, ebenfalls eine Tochter der Royal Princess Maud, gelangte im österreichischen Zwinger „von der Bischofsgasse“  in die Zucht und es finden sich zahlreiche Nachkommen unter den heutigen Landseern.

 

Die weitere Zucht gestaltet sich zu verwoben, als das ich noch mit der Aufzählung einzelner Würfe forsetzen könnte. Es sollen trotzdem in der Folge noch wichtige Ereignisse und Einkreuzungen genannt werden, vor allem die unvermeidliche Einkreuzung der schwarzen Neufundländer.

 

In den Niederlanden gilt Hermann Lunther als der Begründer der Landseerzucht. Er verpaarte seine Hündin unbekannter Abstammung namens Flora mit Adonis von der Bischofsgasse. Aus diesem Wurf stammen die Geschwister Grete und Hans vom Landseerheim, die er mehrmals miteinander verpaarte und schließlich auch Hans mit seinen Nachkommen. Das Resultat waren zwar hochgradig ingezüchtete Tiere, die sich optisch aber wieder mehr in Richtung Landseer und weg vom Neufundländer entwickelten. Genau darüber entbrannte aber sodann in den Niederlanden bald ein Streit, denn man war sich uneinig über die Eigenständigkeit des Landseers als Rasse.

Obwohl man sich der Unterschiede bewusst war, wurden die Luntherschen Landseer mit schwarzen Neufundländern gekreuzt, um aus ihnen einen schwarzweißen Neufundländer zu machen. Da auch hier einige schwarze Neufundländer rezessiv das schwarz-weiß-Gen mit im Gepäck hatten, resultierten teilweise auch aus diesen Kreuzungen schwarzweiße Hunde. 

 

Anders als in den Niederlanden erkannte man in Deutschland schnell den Wert der Luntherschen Landseer für die Zucht. So gelangten Nachkommen von Grete und Hans vom Landseerheim in die bekannten Zwinger „von Schartenberg“, „vom Heiligen Berg“  und „von Nordwest“, wo sie wichtiger Bestandteil der Landseerzucht wurden und mit den alten Linien aus der Schweiz und Österreich vermischt wurden.

Doch auch in Deutschland hatte man unterschiedliche Auffassungen über den Landseer als Rasse. Walterspiel glich beispielsweise in seinem Zwinger „von Schartenberg“ den Habitus des Landseers immer mehr dem des Neufundländers an. Um dieses Ziel zu verfolgen, kreuzte er mehrmals auch schwarze Hunde mit Landseer-Abstammung ein.

 

Erst 1960 sollte endlich die Anerkennung des Landseers als eigenständige Rasse in der FCI gelingen. Der englische und amerikanische Dachverband erkennen den Landseer bis heute nicht als Rasse an.

 

Seit 1960 erfolgte die Zucht weitestgehend als Reinzucht, wenn auch noch einige importierte Tiere mit Neufundländeranteil eingekreuzt wurden. Darunter 1960 der amerikanische Rüde „Seaward’s Son of Storm“ im österreichischem Zwinger „von der Nordkettenbahn“. Dieser brachte dringend benötigtes frisches Blut, entstammte er doch aus völlig anderen Linien aus den USA und Kanada. Ebenfalls wurden noch Hunde dänischer und englischer Herkunft eingekreuzt.

 

Seit den 1970ern wurden in immer mehr Ländern Landseer-Clubs gegründet, deren Zuchtbasis aber meist auf die deutschen Linien zurück ging, teils unter Kreuzung mit englischen Linien. Isoliert blieb die Zucht in der DDR, wo man aus nur sechs aus Deutschland und Dänemark importierten Hunden über die Jahre fast 2000 Welpen züchtete. Dies war natürlich nur unter extremer Inzucht und Matadorzucht möglich. So war Anjo vom Graf Anton, einer der Zuchtbegründer in der DDR, der Vater von mindestens 44 Würfen, um nur ein Beispiel zu nennen. Es ist nur einer gnadenlosen Selektion und Merzung lebensschwacher Welpen zu verdanken, dass die Rasse in der DDR trotz dieser extremen Inzucht überlebte.

 

Wie sieht es heute in der Zucht aus?

In der Hundezucht hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Längst sind die schädlichen Effekte veralteter Zuchtmethoden, wie Inzucht und Matadorzucht, bekannt und solche Praktiken werden heute vermieden.

Das typische Aussehen des Landseers ist in der Zucht schon lange gefestigt, wenn auch bis heute große Unterschiede in Größe und Masse der einzelnen Exemplare bestehen.

Neben dem Aussehen ist die Gesundheit immer mehr in den Fokus der Züchter gerückt. Um eine Zuchtzulassung zu bekommen, müssen sich die Hunde nicht nur im Showring bewähren, sondern auch eine ganze Reihe an Gesundheitstests über sich ergehen lassen. Vorbildlich sind hier die Regeln des VLD, die nicht nur eine Röntgenuntersuchung auf HD, ED und OCD vorschreiben, sondern auch 4 Gentests auf vererbbare Krankheiten vorschreiben. Mehr zu diesen Krankheiten erfahrt Ihr hier.

 

Ist der Landseer ein Herdenschutzhund?

In vielen Diskussionen unterstellen Landseerbesitzer ihren Hunden eine Abstammung vom Herdenschutzhund. Doch ist dies tatsächlich so und wieviel Herdenschutzhund steckt noch im heutigen Landseer?

Wie oben schon angedeutet, haben auf Neufundland sicherlich die verschiedensten Rassen bei der Entstehung des Newfoundland Dogs mitgewirkt. Der Verdacht liegt nahe, dass darunter auch Pyrenäen-Mastiffs der baskischen Einwanderer waren. Dies würde zumindest das große Erscheinungsbild der Rasse und auch die schwarzweiße Farbe erklären. Obwohl es hierfür keine eindeutigen Belege gibt, findet sich somit unter den Urahnen der Neufundländer und Landseer sicherlich der ein oder andere Herdenschutzhund.

Auch in den englischen Zuchten ist es durchaus möglich, dass vereinzelt solche Hunde eingekreuzt wurden. Bedenkt man aber, dass in England der Wolf als natürlicher Feind der Schafe bereits im 15. Jahrhundert ausgerottet wurde, so hatten die Herdenschutzhunde hier kaum eine Berechtigung und waren sicherlich nicht zahlreich vertreten.

Seit der Führung der ersten Zuchtbücher im Jahre 1874 lässt sich die Zucht der Landseer und Neufundländer sehr gut nachverfolgen und es findet sich nur eine einzige Einkreuzung eines Herdenschutzhundes, nämlich die des Kuvasz-Rüden „Baldur von der Gifthütte“ 1929. 

 

Sicherlich ist nicht die gesamte Abstammung aller Hunde bekannt, die sich in den Stammbäumen der heutigen Landseer befinden. Immer wieder wurden Hunde in der Zucht verwendet, die zwar dem Phänotyp eines Landseers oder Neufundländers entsprachen, deren Abstammung aber unbekannt waren. Auch hier dürfte vermutlich der ein oder andere Herdenschutzhund mitgemischt haben. Jedoch gilt es zu bedenken, dass die Herdenschutzhunde in der damaligen Zeit Bauernhunde waren und nur dort zu finden waren, wo Wolf und Schaf aufeinander trafen, also vor allem in den bergigen Gebieten Europas. Es gab also auch hier keine große Schnittmenge mit dem Neufundländer und Landseer. 

 

Oft liest man in Rassebeschreibungen von der planmäßigen Einkreuzung weißer Herdenschutzhunde zur Festigung der weißen Grundfarbe des Landseers. In den Zuchtbüchern finden sich allerdings keine Hinweise auf solche Kreuzungen. Sollten sie dennoch stattgefunden haben, dann unter Angabe falscher Elterntiere.

 

Insgesamt kann man also festhalten, dass vermutlich der ein oder andere Herdenschutzhund mitgemischt hat, der Anteil sollte aber verschwindend gering und nach Jahrzehnten der Reinzucht längst weiter verdünnt sein. Auf keinen Fall kann man von einer direkten Abstammung vom Herdenschutzhund sprechen und dem Landseer somit typische Eigenschaften des Herdenschutzhundes unterstellen.